En Blog - Anschlusskommunikation und Interaktion in Wissenschaftsblogs
Blogs auf populärwissenschaftlichen Wissenschaftsportalen wie Scilogs oder Scienceblogs verstehen sich in der Regel als ein Angebot, um mit einer interessierten, aber nicht zwangsläufig fachinternen Rezipient*innenschaft ins Gespräch über wissenschaftliche und/oder wissenschaftsnahe Themen zu kommen. Daher kann insbesondere die Kommentarspalte zum Ort der Auseinandersetzung über Themenangebote des Blogposts, aber auch über Inhalte, die nur noch peripher mit dem Sujet des Posts verbunden sind, werden. Aus diesem Grunde sind populärwissenschaftliche Blogs eine ertragreiche Quelle für die Untersuchung der Interaktion von Wissenschaftsblogger*innen und der Rezipient*innen und bieten vielversprechende Einblicke in Formen des Public Engagement with Science (PES).
Dennoch sind Arbeiten, die sich spezifisch und systematisch mit dieser Form der „Experten“-„Laien“-Interaktion befassen, in der Minderheit. Bislang existieren kaum Untersuchungen zu den Konstituierungspraktiken von Diskussionen in wissenschaftlichen Blogposts, zur Themengenerierung und -genese oder zu den Aushandlungspraktiken, die in den Diskussionen zum Tragen kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass es bislang im deutschsprachigen Raum kein geeignetes Untersuchungskorpus gibt, mit dessen Hilfe breiter angelegte Untersuchungen der Kommunikation in populärwissenschaftlichen Blogs unternommen werden könnten.
Fragestellungen und Zielsetzung:
Das Projekt „En Blog – Anschlusskommunikation und Interaktion in Wissenschaftsblogs“ setzt sich daher zum Ziel, zum einen ein solches Korpus aufzubauen, das dann auch von anderen Forschungsvorhaben für die Analyse herangezogen werden kann.
Zum anderen sollen erste systematische Untersuchungen zur Frage der strukturellen und inhaltlichen Konstituierung von Blogpostdiskussionen sowie zu den Formen der Aushandlung wissenschaftlicher/wissenschaftsnaher Themen in den Diskussionen durchzuführen. Das übergeordnete Erkenntnisinteresse besteht in den Formen und Inhalten der Interaktion zwischen Wissenschaftsblogger*innen und ihren Rezipient*innen einerseits und der Interaktion zwischen den Rezipient*innen untereinander. Daran knüpfen Fragen nach dem Wesen der Interaktion in virtuell formierten Communities an, die sich von der Face-to-Face-Interaktion schon durch die fehlende gemeinsame Präsenz in einem wahrnehmbaren Raum unterscheidet, aber darüber hinaus auch weitere abweichende Merkmale wie die zeitliche Versetztheit der Gesprächsbeiträge, die Vergabe von Rederechten durch die aktive Freischaltung von Kommentaren durch die/den Blogger*in o.ä. aufweist.
Darüber hinaus stellen sich mit Blick auf das Erkenntnisinteresse auch Fragen nach der Herausbildung von Diskussionen und die damit verbundene Aushandlungsdynamik: Welche Themen haben das Potenzial, ausgiebigere Diskussionen nach sich zu ziehen? Gibt es Themen, die Diskussionen „triggern“ können (erwartbar wäre dies bei sehr kontroversen Themen wie Atomkraft, Genetic Editing, Alternativmedizin, Tierversuche etc.). Mit welchen sprachlichen Mitteln können Diskussionen provoziert werden? Wie entwickeln sich solche Diskussionen? Welche Formen der Argumentation werden genutzt? Welche Argumente spielen in der Diskussion eine Rolle? Werden sie begründet und wenn ja, wie?
Das Projekt entsteht in einer Kooperation zwischen dem Department für Wissenschaftskommunikation (Prof. Leßmöllmann / Dr. Hanauska) und dem Institut für Philosophie (Prof. Betz) und wird durch das Institut für Technikzukünfte anschubfinanziert. Gegenwärtig ist ein Förderantrag in Arbeit, um das Projekt auch mittelfristig zu finanzieren.
Vorträge:
Erste Ergebnisse aus der Explorationsphase konnten bereits bei verschiedenen Gelegenheiten im nationalen und internationalen Rahmen vorgestellt und diskutiert werden:
Hanauska, Monika: Und was hat das mit Wissenschaft zu tun? Aushandlungen über "gute" Wissenschaft in Blogpostdiskussionen - Karlsruher Nacht der Wissenschaften, KIT, 24.01.2020
Hanauska, Monika: Persuasive strategies in the comment section of scientific weblogs – International Pragmatics Conference, Hongkong, 9.–14.6.2019
Leßmöllmann, Annette: Wissenschaft aushandeln: Diskurse in Wissenschaftsblogs – Institutskolloquium Seminar für Allgemeine Rhetorik, Universität Tübingen, 21.5.2019
Hanauska, Monika: On the dynamics of discussions in science blogs: What is “good science”? – International Congress of Linguists, Capetown, 1.–6.7.2018
Projektbegleitende Lehrveranstaltungen:
Das Projekt wird seit der Explorationsphase durch Maßnahmen in der Lehre begleitet, um hier die Verbindung zwischen Lehre und aktueller Forschung im Institutsteil Wissenschaftskommunikation zu gewährleisten. Hierzu gehören einerseits verschiedene Lehrveranstaltungen und andererseits die Vergabe und Betreuung von projektbezogenen Abschlussarbeiten.
Proseminar: Wissenschaftsblogs - Sprachliche Formen der Wissenschaftsvermittlung und der Experten-Laien-Interaktion (WS 2019/20, Dr. Monika Hanauska)
Hauptseminar: Aushandlungsprozesse in Wissenschaftsblogs (SoSe 2018, Prof. Dr. Annette Leßmöllmann (Kurs A), Dr. Monika Hanauska (Kurs B))
Projektpartner*innen:
- Prof. Dr. Annette Leßmöllmann, Department für Wissenschaftskommunikation
- Dr. Monika Hanauska, Department für Wissenschaftskommunikation
- Prof. Dr. Gregor Betz, Institutsteil Philosophie
Projekthilfskraft:
- Nico Batschauer, B.A.
Vorarbeiten und vorbereitende Publikationen:
Hanauska, Monika/Leßmöllmann, Annette: Dialogizität im Wissenschaftsjournalismus. In: Handbuch Text und Gespräch. Hrsg. von Nina Janich und Karin Birkner. Berlin/New York 2018, S. 371-396.
Hanauska, Monika: Aushandlungsprozesse in vernetzten Systemen – die Löschdiskussionen auf Wikipedia. In: Industrie 4.0/Made in China 2025 - Gesellschaftswissenschaftliche Perspektiven auf Digitalisierung. Hrsg. von Alexandra Hausstein und Chunrong Zheng. Karlsruhe 2018, S. 149-163.
Literatur:
Betz, Gregor (2012): Debate Dynamics. How Controversy Improves Our Beliefs. Dordrecht: Springer.
Betz, Gregor; Brun, Georg (2016): Analysing practical argumentation. In: Sven Ove Hansson und Gertrude Hirsch Hadon (Hrsg.): The Argumentative Turn in Policy Analysis. Resoning about Uncertainty. Cham: Springer, S. 39-77.
Gardiner, Anna; Sullivan, Miriam; Grand, Ann (2018): Who Are You Writing for? Differences in Response to Blog Design Between Scientists and Nonscientists. In: Science Communication 40 (1), S. 109–123. DOI: 10.1177/1075547017747608.
Imo, Wolfgang (2013): Sprache in Interaktion. Analysemethoden und Untersuchungsfelder. Berlin: De Gruyter.
Imo, Wolfgang (2016): Dialogizität – eine Einführung. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 44 (3), S. 337–356. DOI: 10.1515/zgl-2016-0019.
Jarreau, Paige Brown (2015): All the Science That Is Fit to Blog: An Analysis of Science Blogging Practices.
Jarreau, Paige Brown; Porter, Lance (2018): Science in the Social Media Age: Profiles of Science Blog Readers. In: Journalism & Mass Communication Quarterly 95 (1), S. 142–168. DOI: 10.1177/1077699016685558.
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Leßmöllmann, Annette (2009): Weblogs: Logbücher der Forschung und Foren für den wissenschaftlichen Diskurs. In: Gegenworte 21, S. 19-21.
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