Konflikt und Konsens als Herausforderung der Wissenschaftskommunikation (KoKoKom)
Die Digitalisierung hat die Wissenschaftskommunikation grundlegend verändert. Wissen ist heute leichter zugänglich denn je und neue Formen der Partizipation ermöglichen eine dynamische Interaktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Vor allem die Nutzung sozialer Medien führt jedoch auch zu einer Emotionalisierung der Kommunikation, einer Anmaßung von Expertise und einer zunehmenden Polarisierung gesellschaftlicher Debatten.
In diesem Zusammenhang will das Projekt KoKoKom Mechanismen identifizieren, die zur Herausbildung von gesellschaftlichen Konflikten rund um wissenschaftliche Forschungsergebnisse führen und in der Folge Verfahren zur Erzeugung und Stärkung einer gesellschaftlichen Verständigung entwickeln. Mit methodischen Ansätzen aus der Rhetorik und Linguistik werden polarisierende Diskurse um das Thema Geschlecht und Gender in der Wissenschaftskommunikation empirisch untersucht.
Ein zentraler Aspekt ist das Verschwinden eines Common Grounds als Basis der Verständigung: Wie lässt sich ein gesellschaftlicher Common Ground in polarisierenden Debatten finden? Wie kann man in Anbetracht der Fluidität und der dynamischen Veränderung wissenschaftlicher Erkenntnisse einen gesellschaftlichen Konsens sichern? Oder, falls ein Konsens nicht möglich ist: Wie kann man vor dem Hintergrund sozialer und kultureller Kontexte zumindest zu einem informierten Diskurs über Wissenschaft kommen?
Korpusuntersuchung
Im linguistischen Teil werden anhand eines Korpus folgende Fragen untersucht: Wie wird über wissenschaftliche Erkenntnisse zu Geschlecht und Gender öffentlich debattiert? Wie wird dabei ein Common Ground hergestellt, negiert, zerstört, restauriert oder auch behauptet und präsupponiert? Inwiefern findet in polarisierenden Debatten ein Aneinandervorbeireden statt, das auf unterschiedliche Denkstile und Denkkollektive zurückzuführen ist?
Der rhetorische Teil hat die Ziele, polarisierende und nicht polarisierende sprachliche Muster zu kategorisieren, nicht polarisierende sprachliche Äußerungsakte zu identifizieren und nicht polarisierende Kommunikationsformate zu entwickeln, die in Workshops an professionelle Wissenschaftskommunikator:innen und Multiplikator:innen weitergegeben werden.
Dabei werden text-, diskurs- und korpuslinguistische Methoden verwendet, um die öffentliche Debatte über die Anzahl biologischer Geschlechter zu analysieren in den Sozialen Medien und Pressemedien.
Invitational Rhetoric
Das Modell der Invitational Rhetoric (Foss/Griffin 1995/2020) bildet einen zentralen Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung kommunikativer Praktiken und Formate in der Wissenschaftskommunikation. Ein zentraler Aspekt dieses Ansatzes besteht darin, eine weitere gesellschaftliche Polarisierung zu vermeiden, indem er eine Einladung zum Verständnis der eigenen Perspektive und die Bereitschaft zur Verständigung über andere Perspektiven ausspricht. Diese Einladung gründet auf der festen Überzeugung von Gleichheit, Würde und Selbstbestimmung des Publikums, was als zentrale Haltung guter Wissenschaftskommunikation betrachtet wird. Das übergeordnete Ziel der Invitational Rhetorics ist es, Partizipation und Austausch zu fördern. Dafür schafft sie einen Raum, in dem verschiedene Stakeholder aktiv am Diskurs teilnehmen und ihre Standpunkte einbringen können. Durch die Schaffung eines inklusiven Umfelds streben diese rhetorischen Strategien danach, eine Brücke zwischen unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven zu bauen, was letztendlich zu einer tieferen Verständigung und einem konstruktiven Dialog führen kann.
Trainingsprogramm und Toolbox
- Tagungen, Publikationen und Dialogveranstaltungen zur Verbreitung neuer kommunikativer Praktiken
- Trainingsprogramm für Praktiker:innen in der Wissenschaftskommunikation und Forschende
- Kompaktes Training für Lehrkräfte
Partner:
Förderer:
Beteiligte Wissenschaftlerinnen am KIT:
Prof. Dr. Annette Leßmöllmann